Die Sulzfluh, ein markanter Gipfel in den Rätikon-Bergen an der Grenze zwischen der Schweiz und Österreich, erhebt sich majestätisch auf 2.817 Metern und ist weithin bekannt für ihre steilen Kalkwände, weiten Karstflächen und spektakulären Ausblicke. Besonders beliebt ist der Aufstieg über den Gauablick-Klettersteig, der durch seine spannende Routenführung und alpinen Charakter sowohl erfahrene Klettersteigfans als auch ambitionierte Bergsteiger anzieht. Treffpunkt der 7 Bergsteiger und Ausgangspunkt der Tour war am 03.07.205 um 11 Uhr der Wanderparkplatz vor dem Lünersee-Kraftwerk (985 m) in Latschau im Montafon.
Eine Bergtour auf die Sulzfluh verlangt eine sorgfältige Vorbereitung. Neben der üblichen Bergausrüstung sind für den Gauablick-Klettersteig eine vollständige Klettersteigausrüstung (Klettergurt, Klettersteigset, Helm, feste Handschuhe) und eine solide Grundkondition für Bergtouren mit 1500 hm absolute Voraussetzung. Der Wetterbericht sagte eine instabile Wetterlage mit gelegentlichem Regen und möglicherweise Gewitter voraus. Perfekt ausgerüstet mit allem, was für so eine Tour nötig ist, begannen wir bei Sonnenschein gegen 11.15 Uhr mit dem Aufstieg zur Lindauer Hütte (1744 m). Nach ca. 45 Minuten erreichten wir auf der unteren Sporaalpe das Naturfreundehaus, an dem kann man nicht einfach so vorbeigehen kann. Ein liebevoll gestalteter Biergarten und eine Speisekarte zum Verlieben machten uns die Entscheidung für eine kurze Erfrischung nicht schwer und so machten wir eine kurze Pause.
So wäre der Plan gewesen. Doch kaum waren wir 15 Minuten eingekehrt, zog über die umliegenden Bergrücken eine bedrohliche schwarze Wolkenwand und kurze Zeit später schüttete es wie aus Eimern. Aus der kurzen Einkehr wurden dann zwei Stunden, die wir bei bester Laune im Naturfreundehaus verbrachten. Nachdem sich das Gewitter verzogen hatte, riss die Wolkendecke wieder auf und wir konnten trocken und bei Sonnenschein den Aufstieg zur Lindauer Hütte fortsetzen. Bis wir dort eingecheckt und unsere Lager bezogen hatten, war es schon fast 18 Uhr und für größere Unternehmungen zu spät. So verbrachten wir den Rest des Abends bei wolkenlosem Himmel auf der Oberen Sporaalpe und in der Lindauer Hütte.
In der Nacht zog erneut eine Kaltfront auf und ab 5 Uhr begann es erneut wie aus Eimern zu regnen. Laut Wetterbericht sollte sich das schlechte Wetter bis 9 Uhr verzogen haben und so nahmen wir erstmal in Ruhe unser Frühstück ein. Ab 8 Uhr wurde es dann draußen allmählich heller und es hörte auf zu regnen. Also stand der Bergtour auf die Sulzfluh mit einer leichten Verspätung nichts mehr im Wege. Zunächst schlängelte sich ein Pfad durch den Porzalengawald stetig nach oben. Weiter ging es durch Latschenfelder auf die „Bänke“, einer Hochebene auf halber Strecke. Von hier aus zeigte sich das erste Mal unser erstes Etappenziel, der Gauablick-Klettersteig, den wir auch nach einem kurzen steilen Anstieg nach insgesamt 2 Stunden Aufstieg erreichten.
Nach einer kurzen Pause wurde die Kletterausrüstung angelegt und wir stiegen nacheinander in die Wand ein, die sofort Konzentration und Technik verlangt. Es folgen abwechslungsreiche Passagen mit ausgesetzten Querungen, steilen Aufschwüngen und spektakulären Ausblicken.In der Mitte des Steigs wartet eine Schlüsselstelle, die mit Eisenleitern und Bügeln entschärft wurde, doch auch hier ist Armkraft und Mut gefragt. Nach dem ersten Drittel des Klettersteiges erreichen wir den Höhleneingang zur Gauablickhöhle. Der bisher bekannte und erforschte Teil dieses Höhlensystems ist über 30 km lang. Ein kleiner Teil mit einer Länge vom 350 Metern wurde in den 1990er Jahren in den Klettersteig integriert. Bei absoluter Dunkelheit und einer konstanten Temperatur von 5 – 7 Grad stellt diese Passage eine zusätzliche Herausforderung für die Gruppe dar.
Der Gauablick-Klettersteig gilt als einer der eindrucksvollsten Klettersteige im Rätikon. Die Schwierigkeiten bewegen sich meist im Bereich B, einzelne Passagen erreichen jedoch C. Der Steig ist durchgängig mit Drahtseilen, Trittbügeln und Eisenstiften gesichert und bietet eine abwechslungsreiche Mischung aus Querungen, steilen Aufschwüngen und aussichtsreichen Passagen. Besonderes Highlight ist eine luftig ausgesetzte Querung, bei der sich der Blick in den Abgrund öffnet. Hier ist volle Konzentration und sicheres Umgreifen am Stahlseil gefragt. Die Route verläuft über plattige Kalkfelsen, durch kurze Kamin- und Verschneidungspassagen, immer wieder mit herrlichem Blick auf die Verwallgruppe und hinunter nach Tschagguns.
Der Steig ist abwechslungsreich und fordert sowohl Technik als auch Kondition, bleibt aber stets fair und gut gesichert. Besonders eindrucksvoll sind die Ausgesetztheit einzelner Passagen und das Gefühl, sich durch die steilen Kalkwände zu bewegen.
Nach insgesamt 2,5 Stunden war der Ausstieg auf einem Felsrücken erreicht. Nun folgte ein letzter, unschwieriger Anstieg über Schutt und Felsblöcke Richtung Gipfel.
Aufgrund des verspäteten Starts und der relativ langen Aufstiegszeit im Klettersteig in Verbindung mit einem noch sehr langen Abstieg, beschlossen wir jedoch, die restlichen 200 hm zum Gipfel auszulassen. Starke Bewölkung versprach zudem auch keine besondere Aussicht.
Der Gipfelaufbau selbst ist weit und relativ flach. Die Aussicht ist bei klarer Sicht atemberaubend: Im Süden erheben sich die schneebedeckten Spitzen der Silvretta, im Westen glänzen die Gletscher der Bernina, und im Norden schweift der Blick weit über das Prättigau. Bei klarer Sicht sind sogar Bodensee und Allgäuer Alpen auszumachen. Das alles haben wir leider nicht gesehen.
Der Rückweg führte uns über das spektakuläre Hochplateu des Sulzfluh-Massivs aus Kalkstein zur Tillisunahütte (2211 m). Diese ließen wir rechts liegen und folgten dem Pfad durch saftige Bergwiesen weiter Richtung Lindauer Hütte. Immer unter Beobachtung von Murmeltieren und Steinadlern. An der „schwarzen Scharte“ zeigte sich ca. 600 m tieferliegend unten im Tal die Lindauer Hütte. Der Abstieg teils in praller Sonne zog sich hin und so waren wir alle nach ca. 10 Stunden Gehzeit wieder unten. Eine zünftige Brotzeit bei der Monika, die Sennerin der oberen Sporaalpe, rundete diesen „perfekten Tag“ ab.
Am nächsten Morgen verzichteten wir auf das Frühstück auf der Hütte und zogen es vor, lieber ein Stündchen länger zu schlafen. Beim Rückweg kehrten wir alle noch einmal im Naturfreundehaus ein. Das Frühstück ist hier wesentlich besser als auf der Lindauer Hütte und auch nicht teurer.
Höhenmeter insgesamt: 2500
Wegstrecke ab Parkplatz: 26 km
Fazit
Die Bergtour auf die Sulzfluh mit Durchsteigung des Gauablick-Klettersteigs ist ein herausragendes Erlebnis für alle, die sich gern im alpinen Gelände bewegen und neue Herausforderungen suchen. Sie bietet sportlichen Anspruch, landschaftliche Schönheit und eine unvergessliche Aussicht auf die Berge des Rätikon. Der Kontrast zwischen der schroffen Felslandschaft am Klettersteig und den sanften Alpwiesen im Tal macht den Reiz der Tour aus. Die Möglichkeit, Steinböcke, Murmeltiere oder sogar Adler zu beobachten, verleiht dem Tag einen besonderen Zauber.
Gute Vorbereitung, die richtige Ausrüstung und die Freude am Draußensein sind die Schlüssel zu einer gelungenen Tour.
- Empfohlene Ausrüstung: Klettersteigset, Helm, Klettergurt, festes Schuhwerk, Handschuhe, Wetterschutz, Karte/GPS, Erste-Hilfe-Set, Sonnen- und Regenschutz, Proviant und ausreichend Wasser.
- Schwierigkeit: Klettersteig B/C, Gipfelanstieg unschwierig, jedoch anspruchsvoll in der Länge.
Gerhardt Werner (Tourenleiter)